Im Paradies gibt’s keinen Stacheldraht

Warum der Frieden mit dem Nachbarn nicht im Gerichtssaal, sondern am runden Tisch beginnt

Als Mediator, der beizeiten auch auf das oft dornige Feld der Nachbarschaftskonflikte eingeladen wird, sehe ich zu oft, wie aus einer falsch geparkten Mülltonne ein Grabenkrieg und aus Kinderlachen eine Lärmbelästigungsklage wird. Der erste Impuls vieler ist der Griff zum Gesetzbuch, der Anruf bei der Hausverwaltung oder der Gang zum Anwalt. Doch ich möchte dir heute eine andere, eine kraftvollere und nachhaltigere Perspektive aufzeigen: den Weg der gemeinsamen Lösung.

Stell dir den klassischen Rechtsweg vor. Er ist klar strukturiert, er hat Regeln und am Ende gibt es ein Urteil. Ein Richter entscheidet, wer im Recht ist und wer im Unrecht. Das klingt zunächst fair. Doch was bedeutet dieses Urteil für dein zukünftiges Zusammenleben? Der Lärm mag vielleicht per richterlicher Anordnung zu bestimmten Zeiten aufhören, aber die Stille, die darauf folgt, ist selten friedlich. Es ist die kalte Stille zwischen einem Gewinner und einem Verlierer, die weiterhin Tür an Tür leben müssen. Der Groll bleibt, das Misstrauen wächst und der nächste Konflikt ist oft nur eine Frage der Zeit. Die rein rechtliche Lösung bekämpft das Symptom – den Lärm, den überhängenden Ast –, aber sie heilt nie die eigentliche Wunde: die zerbrochene menschliche Beziehung.

Nun stell dir einen anderen Weg vor. Einen Weg, der nicht auf Paragrafen, sondern auf Verständnis aufbaut. Dieser Weg ist die Mediation. Hier gibt es keinen Richter, sondern einen neutralen Vermittler. Es gibt keine Anklagebank, sondern einen gemeinsamen Tisch. Das Ziel ist nicht, Recht zu bekommen, sondern eine Lösung zu finden, mit der beide Seiten nicht nur leben, sondern zufrieden leben können.

In einer Mediation geht es darum, hinter die lauten Forderungen zu blicken. Es geht nicht mehr nur um den Rasenmäher am Sonntagvormittag. Es geht darum, warum die Ruhe für den einen so wichtig ist – vielleicht wegen eines anstrengenden Berufs im Schichtdienst? Und es geht darum, warum für den anderen das Gärtnern am Wochenende so eine große Freude ist – vielleicht der einzige Ausgleich in einer stressigen Woche? Plötzlich sprechen nicht mehr zwei Kontrahenten, sondern zwei Menschen miteinander, die beginnen, die Bedürfnisse des anderen zu verstehen.

Ein wunderbares Beispiel aus der Praxis ist ein Projekt des Österreichischen Friedenszentrums im Burgenland. In Zusammenarbeit mit einer großen Siedlungsgenossenschaft konnten durch Mediation 24 von 36 handfesten Nachbarschaftskonflikten erfolgreich gelöst werden. Das sind keine juristischen Akten, die in einem Archiv verstauben. Das sind 24 wiederhergestellte Nachbarschaften, in denen sich die Menschen wieder grüßen, in denen wieder ein Lächeln über den Gartenzaun ausgetauscht wird und in denen die Kinder wieder unbeschwert spielen dürfen.

Die gemeinschaftliche Lösung ist mehr als ein Kompromiss. Sie ist ein kreativer Akt. Sie schafft neue Möglichkeiten, an die vorher niemand gedacht hat. Vielleicht einigt man sich auf feste Mähzeiten, vielleicht hilft man sich gegenseitig im Garten, vielleicht stellt man fest, dass man eigentlich das gleiche Hobby hat. Ich habe es erlebt, dass aus erbitterten Gegnern hilfsbereite Nachbarn wurden, die sich gegenseitig Pakete annehmen und auf die Wohnung aufpassen, wenn einer auf Urlaub ist.

Der Weg über das Gericht ist ein Weg der Trennung. Er zieht klare Linien und baut Mauern. Die Mediation ist ein Weg der Verbindung. Sie baut Brücken des Verständnisses. Wenn du im Paradies wohnst, lass keine Stacheldrahtzäune aufstellen sondern entscheide dich für den nachhaltigeren Frieden. Entscheide dich für eine Zukunft, in der dein Zuhause ein Ort der Ruhe und des guten Miteinanders ist. Der erste Schritt ist oft der schwerste, aber er lohnt sich – für einen Frieden, der nicht auf einem Urteil, sondern auf gegenseitigem Respekt beruht.

Wenn in deinem Paradies auch schon dunkle Wolken aufziehen, sprich uns gerne an. Das Team von FRE!DAY unterstützt dich gerne!

(Beitrag von Alexander Beichtbuchner – ab@freiday.at)